Grabungsarbeiten

Kirchplatz bietet neue Erkenntnisse zur Stadtgeschichte

„Zahlreiche Funde zur historischen Entwicklung des Stadtraumes und zur Geschichte der Beckumer Stadtgesellschaft seit dem Mittealter konnten dabei geborgen werden“, berichtet Dr. Joachim Meffert vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), der die Grabungen in Zusammenarbeit mit der Firma Goldschmidt geleitet hat.

Wir haben auf der 3 600 Quadratmeter großen Fläche über 200 Bestattungen von Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern dokumentiert. Obwohl Beigaben bei christlichen Bestattungen fast ausnahmslos fehlen, sind die Funde archäologisch und anthropologisch interessant.“ 
Besichtigung der Grabungsstelle
Führung zum Grabungsfeld

Es wurden hölzerne Sargreste, Platten- und Steinkistengräber sowie Überreste von sogenannten Totenkränzen gefunden. Insbesondere die Totenkränze, aus Silber- oder Bronzedraht gewundene Kränze, mit denen offenbar unverheiratete Mädchen geschmückt wurden, sind eine Besonderheit aus der frühen Neuzeit. Auch die Skelette sind für die Wissenschaft aufschlussreich: Die Wissenschaftler erhoffen sich hiervon Erkenntnisse über Krankheiten der Beckumer Bevölkerung im Mittelalter. „Anhand der Überreste können wir auch feststellen, ob ungünstige Lebensumstände sowie Mangelernährung für die hohe Sterblichkeit verantwortlich waren“, so Meffert weiter. Die ältesten Bestattungen auf dem Kirchplatz sind Platten- und Steinkistengräber aus dem 11. Jahrhundert, also aus dem Zeitraum vor der Beckumer Stadtgründung.

Grabstein, Brautpforte und Pilgerhorn
Neben den zahlreichen Bestattungen entdeckte das Grabungsteam auch verschiedene interessante Befunde, wie beispielsweise einen großen Grabstein aus dem 15. Jahrhundert oder ein Fragment eines sogenannten Pilgerhorns, das ursprünglich wohl im Aachener Raum hergestellt wurde. Die bereits im Mittelalter gepflasterte Propsteigasse, vormals Kirchstraße, endete bis zur Fertigstellung der gotischen Propsteikirche aus dem Jahr 1517 direkt an der Friedhofsmauer, welche das Areal komplett umschloss und ungebetene Besucher, wie streunende Hunde und umherlaufende Schweine, fernhielt. Die Kirchgänger gelangten damals durch ein Tor, dessen steinerne Fundamente bis heute im Boden verblieben, auf den Friedhof. Weitere verborgene Spuren der mittelalterlichen Brautpforte (auch Marienpforte) entdeckte das Grabungsteam im Boden auf der Nordseite der Kirche.

Der Name Brautpforte bezieht sich auf den mittelalterlichen Brauch, Ehen vor dem Kirchenportal zu schließen und danach erst zur Messe einzuziehen: 

Als sich diese Praxis im 16. Jahrhundert änderte und es den Brautpaaren erlaubt wurde, in der Kirche zu heiraten, verlor auch das Beckumer Brautportal seine Funktion“, erklärt der Grabungsleiter. 
Grabungsfeld

In den preußischen Urkatasterplänen aus dem Jahr 1806 ist es aber noch gut erkennbar. Nachdem der Kirchhof an der Stephanuskirche dann um 1815 aufgegeben wurde, wandelte man das gesamte Areal in eine Grünfläche um und riss auch alle umliegenden Anbauten ab.  

Kirche hatte 3 Vorgängerbauten
Auch an der Südseite der Kirche gab es interessante Befunde: So wurden zum Ende des Hochmittelalters Teile des Friedhofsareals aufgegeben, um Sand für die Erbauung der neuen Kirche zu gewinnen. Die Materialentnahmegruben wurden zu dieser Zeit mit Bauschutt verfüllt. „Insgesamt hat die heutige Kirche drei Vorgängerbauten aus dem Mittelalter“, legt Meffert dar.

Generell wurde auf dem Kirchplatz nur so tief gegraben, wie es die Baumaßnahmen der Stadt auch erfordert haben. „Wenn man sich überlegt, wie viele Generationen hier aus den jahrhundertelangen Bestattungen liegen, das ist schon beeindruckend. Weiterhin wird die Archäologie auch baubegleitend die Maßnahme betreuen“, so Meffert.

Was geschieht mit den Gebeinen?
Sobald alle Arbeiten abgeschlossen sind, werden die Knochen auf den Friedhof in Beckum umgebettet und anschließend gesegnet. „Genau nach dem gleichen Ritus wie es schon vor Jahrhunderten üblich gewesen ist“, meint der Experte abschließend.

 Sonderseite Kirchplatz-Umbau

Aktuelle Baumaßnahme am Kirchplatz St. Stephanus:

  • Die Umgestaltung des Kirchplatzes ist Bestandteil des sogenannten „Integrierten Handlungs- und Maßnahmenkonzept Innenstadt Beckum“ (kurz IHMK). Das IHMK bildet die Handlungsgrundlage für die gesamte städtebauliche Entwicklung der Beckumer Innenstadt und ist zugleich wichtige Voraussetzung für die Beantragung von Städtebaufördermitteln.
  • Mit dem umgestalteten Kirchplatz entsteht nach dem Marktplatz mitten in der Kernstadt für die gesamte Stadtgesellschaft ein weiterer barrierefreier Erholungs- und Ruheraum Kinderspielgerät und 19 Ruhebänken. Neue Fahrradabstellanlagen werden die Erreichbarkeit der Innenstadt mit dem Fahrrad verbessern. Zusätzlich wird die Propsteigasse künftig entweder als verkehrsberuhigter Bereich oder aber als Fußgängerzone aufgewertet.
  • Im Zuge des Klimawandels werden auch in unserer Region Häufigkeit und Intensität von Starkregenereignissen zunehmen. Ein wirksamer Schutz vor den möglichen Folgen des Starkregens beginnt bei der städtebaulichen Konzeption. Die Stadt Beckum setzt daher auch beim Umbau des Kirchplatzes auf besondere Vorsorge: Durch den Bau neuer Stauraumkanäle, einer neuen Kanalisation im Bereich des nördlichen Weges sowie durch Geländemodellierungen und Rinnen werden die anliegenden Grundstücke künftig besser vor Starkregenereignisse geschützt.
  • Für die zukunftsorientierte und bürgerfreundliche Umgestaltung des Kirchplatzes St. Stephanus wurde von der Bezirksregierung Münster aus Landes- und Bundesmitteln eine Zuwendung in Höhe von 897.182 Euro bewilligt. Die Kirchengemeinde beteiligt sich mit 300.000 Euro an den Kosten. 

LWL-Dokumentation